vom Ortschronisten Achim Berger
Nein, Luther war niemals in Bieberstein, wie auch nicht in den damals in Mittelsachsen schon bedeutenden benachbarten Städten Freiberg und Meißen. Aber es gibt aus dieser Zeit ein interessantes Ereignis, das mit dem Namen Luther verbunden ist und worüber hier berichtet werden soll.
Ein Artikel in der „Freien Presse“ vom 27.Oktober des zu Ende gehenden Lutherjahres 2017 über die sechs Kinder von Martin Luther erinnerte mich an einen Beitrag im Biebersteiner „Heimatboten“ von 1932 über die „Hochzeitsfeier einer Enkelin D. Martin Luthers auf Schloß Nossen“. Den Beitrag hatte ich vor längerer Zeit mal überflogen und nun wieder hervor geholt und etwas genauer angesehen. Der Verfasser bezieht sich dabei auf eine Notiz in der 1855 erschienenen Chronik über „Das Cistercienser-Stift und Kloster Alt-Zelle in dem Bisthum Meißen“ von Eduard Beyer. In dieser Chronik ist sehr umfassend die Geschichte des Klosters seit seiner Gründung 1162 beschrieben. Sie gehört zu den Standardwerken über unsere regionale Geschichte.
Lucas Cranach d.Ä. (Werkst.) – Porträt des Martin Luther (Lutherhaus Wittenberg)
Am 15. November 1584 heiratete die jüngste Tochter von Paul Luther – es war der jüngste Sohn von Martin Luther – Nikolaus Marschall von Bieberstein im kurfürstlichen Schloss Nossen. Dieses hatte Kurfürst August 1554 bis 1557 prachtvoll renovieren und erweitern lassen, auch unter Verwendung von Abbruchmaterial des Klosters Altzella, das infolge der 1539 in Sachsen durchgesetzten Reformation aufgelöst worden war. Dieser Kurfürst August, auf dessen Veranlassung u.a. auch die uns allen bekannte Augustusburg in ihrer jetzigen Gestalt neu aufgebaut wurde, ist nicht zu verwechseln mit August dem Starken (1670-1733), der sein Urururenkel war. Dass die Enkelin von Martin Luther in dem frisch renovierten Jagdschloss Nossen heiraten konnte, hat wohl damit zu tun, dass zu dieser Zeit ihr Vater, Dr. Paul Luther, in Dresden der Leibarzt von Kurfürst August war. Paul Luther hatte auf Hinwirken von Melanchton an der Wittenberger Universität Medizin studiert. Er lehrte zunächst an der 1558 gerade gegründeten Jenaer Universität als Professor für Medizin. Erster Rektor der neuen Universität Jena war zeitgleich Johannes von Schröter, ebenfalls ein Mediziner. Nachfahren von diesem Stammvater derer von Schröter waren von 1806 bis 1927 auch auf dem Rittergut von Bieberstein ansässig.
Ergänzend zu diesen Ausführungen soll hier auch die Notiz aus der o.g. Chronik von E. Beyer im Wortlaut zitiert werden:
„Noch ist aus der spätern Zeit (Anm.: Zeit nach Auflösung des Klosters Altzella) der Feier einer Hochzeit zu gedenken, die in dem Schlosse Nossen gehalten worden ist. Der churfürstliche Leibmedicus D. Paul Luther hatte 1583, seine Tochter Anna an Nicol Marschalch verlobt; die gebetene Erlaubniß, die Ausrichtung der Hochzeit auf dem Schlosse Nossen zu bewirken, wurde durch Rt. ( Anm.: Reskript, Bescheid) v. 24. März 1884. ertheilt u. der Schösser angewiesen, dazu einige Stuben, Kammern, Küche, Keller u. Gewölbe einzuräumen, doch solle der Leibmedicus fleißige Bestellung gegen Feuersgefahr treffen, die innegehabten Gemächer u. Räume sauber reinigen lassen u. was zerbrochen oder schadhaft worden, auf seine Kosten wieder erstatten u. bessern. Zugleich erging an den Kammermeister Verordnung, dem Leibmedicus zu Ausstattung seiner Tochter 500 fl. (Anm.: Gulden) auszuzahlen. Später erhielt der Canzler Haubold v. Einsiedel Befehl, bei der auf den 15. November 1584. angesetzten Hochzeit den Churfürsten zu vertreten, in dessen u. der Churfürsten Namen die Verehrung, so ihm der Kammermeister zustellen werde, Braut u. Bräutigam zu überantworten u. gewöhnlichen Glückwunsch darzubringen. Rt. v. 1. Nov. 1584. (es ist nicht angegeben, worin die Verehrung bestanden).“
In ähnlicher Weise wird amüsant in dem kürzlich im Bertuch Verlag Weimar erschienenen Buch „Paulus Luther: Sein Leben von ihm selbst aufgeschrieben“ über diese Hochzeit vom Brautvater selbst berichtet.
Zu Nikolaus Marschall von Bieberstein wäre noch zu sagen, dass er bis 1588 auf Niederbieberstein saß und es dann, finanziell wohl ziemlich angeschlagen, an Hans Alnpeck aus einer reichen Patrizierfamilie in Freiberg verkaufte. Inwieweit die Hochzeits-Gesellschaft damals von Nossen eine Stippvisite zum nicht allzu weit entfernten Bieberstein unternommen hat, ist nicht belegt. Nikolaus und seine Frau Anna, geb. Luther, zogen 1588 nach Oberschaar, einem Ortsteil von Arnsfeld, jetzt Gemeinde Mildenau im Erzgebirgskreis in der Nähe von Annaberg-Buchholz. Der Vater von Anna, Dr. Paul Luther, besaß dort das nicht mehr bestehende Mai-Gut, das Anna nach seinem Tod 1593 dann auch erbte. Die Marschalls von Bieberstein, die seit 1400 etwa 200 Jahre auf Nieder- bzw. Oberbieberstein residiert hatten, waren in ihrer letzten Biebersteiner Zeit offenbar nicht mehr so sehr begütert. Bei dieser Heirat spielten dann wohl auch eher der klangvolle Adelstitel als materielle Vorteile eine Rolle, weshalb Anna von ihren Eltern auch unter Mithilfe des Kurfürsten (s. Notiz) eine Mitgift von insgesamt 1000 Gulden erhielt, was heute einem Kaufwert von etwa 100.000 Euro entspricht. Bei Anna lebte in seinen letzten Jahren auch ihr etwas ältere Bruder, Johann Friedrich Luther, der 1599 starb und in Arnsfeld begraben ist. Über das weitere Leben von Nikolaus Marschall von Bieberstein und seiner Frau Anna ist wenig bekannt.
Achim Berger