vom Ortschronisten Achim Berger
Die Anfänge einer breiten Schulbildung in Sachsen liegen in der Zeit der Reformation. 1528 führte Melanchthon, ein enger Gefährte von Martin Luther, im ernestinischen Sachsen eine neue Schulordnung ein, die mit Einführung der Reformation in unserer Region 1539 auch hier an Einfluss gewann und letztlich zur Herausbildung von Volksschulen führte. Vorher dominierten Klosterschulen, die meist nur Schülern aus gehobenen Gesellschaftsschichten zugänglich waren. Für Bieberstein gibt es im Gegensatz zur Besetzung der Pfarrerstellen aus dieser Zeit bis etwa 1700 keine chronologischen Aufzeichnungen zur Entwicklung des Schulwesens, so dass man sich nur auf einzelne diesbezügliche Hinweise stützen kann. So finden wir in der Ortschronik von 1956 von Krummenhennersdorf eine Aufstellung aus der Zeit um 1555 darüber, was dem Schulmeister für seine Dienste zustand. Dazu gehörten u.a. eine gute Behausung, Nahrungs- und Futtermittel (eine Kuh durfte gehalten werden), Holz und geringe geldliche Zuwendungen. Die Schulmeister hatten auch noch ständige Kirchendienste zu leisten, z.B. als Kantor, und betrieben insbesondere auf dem Lande oft noch eine kleine Landwirtschaft zur Selbstversorgung. Da Krummenhennersdorf damals zur Hälfte zur Grundherrschaft Bieberstein gehörte, dürfte die Situation in Bieberstein ähnlich gewesen sein. Unterrichtet wurden in der ersten Zeit nur Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen. Mit der neuen Schulordnung von 1773 kamen dann Erdbeschreibung, Geschichte und Naturkunde hinzu.
Die erste verbriefte Nennung eines Schulmeisters in Bieberstein stammt aus dem Jahre 1674. Eine Schule muss es schon vorher gegeben haben, da in der alten Ortschronik „Historio graphia Biebersteinensis“ von 1683 wird erwähnt, dass Kirche, Pfarre und Schule in Niederbieberstein lagen, dass aber nur bis 1630 bestand. In diesem Jahr vereinigte Moritz von Schönberg durch Kauf Ober- und Nieder-Bieberstein wieder zu Bieberstein. Er wurde dann auch Kollator (vergibt Pfarrer- und Schulmeisterstellen) für Bieberstein, Krummenhennersdorf, Oberschaar und Rothenfurth. In Kirchenbüchern und Kirchenrechnungen finden wir dann weitere Hinweise zum Schulwesen in Bieberstein. 1687 wird im Kirchenbuch ein Christian Geßner als hiesiger Schuldiener genannt. In Kirchenrechnungen ist zu lesen, dass nach dem Einbau einer neuen Orgel 1688 „Ausgaben für den Schullehrer die Orgel zu schlagen“ vorzusehen sind und 1692 lesen wir, dass von den Zinsen eines Legats (Nachlass) über 300 Taler der verstorbenen vierten Frau von Gotthelf Friedrich von Schönberg einen Teil der Schullehrer zu erhalten hat. Neben solchen Zuwendungen bestand das Gehalt der Lehrer im Wesentlichen aus den monatlichen Zahlungen eines Schulgeldes der Eltern für jedes Kind.
Seit wann es in Bieberstein ein Schulgebäude gibt, ist nicht belegt. Wahrscheinlich stand es von Anfang an an der Stelle des jetzigen Gebäudes, was auch wegen der ständigen Kirchendienste der Schulmeister durch die Nähe von Pfarre und Kirche sinnvoll war. Fest steht, dass das jetzige Schulgebäude auf der Abrissstelle der schon 1735 erwähnten alten Schule erbaut wurde. Im Biebersteiner Brandversicherungs-Kataster von 1852 werden als Bestand dieser Schule aufgeführt: Wohn-und Schulgebäude, Stall mit Keller und angebautem Backofen und ein Holzschuppengebäude. Aus dieser Aufzählung kann man ersehen, dass die Schulmeister neben ihrer eigentlichen Lehrtätigkeit auch sehr eigenwirtschaftlich tätig waren. Eine lückenlose Aufführung der Lehrer von Bieberstein und später auch von Burkersdorf beginnt mit Paul Sandig, der 1735 das aufgelistete Schulinventar an seinen Nachfolger Johann Kaspar Thieme überlies. Bis 1875 gab es in Bieberstein mit den zugeordneten Orten Burkersdorf und Gotthelffriedrichsgrund nur einen Lehrer für über 150 Kinder (1873 sogar 213), die in zwei oder drei Klassen unterrichtet wurden. Da die Lehrer neben den 50 Schulwochenstunden noch Kirchendienste leisten mussten und eine kleine Landwirtschaft betrieben und dadurch kaum Zeit für Weiterbildung und Unterrichtsvorbereitung hatten, war es um das Schulwesen in Bieberstein zu dieser Zeit schlecht bestellt. Nach langem Zögern der Gemeinde insbesondere aus finanziellen Gründen und aufgrund ungeduldigen Drängens der übergeordneten Schulbehörde wurde 1860 endlich eine Hilfslehrerstelle eingerichtet. Die Nebenschule befand sich im Haus des ehemaligen Stellmachers Burkhard. Wie unbeliebt diese Nebenschule bei den Gemeindeverantwortlichen (Kosten) und beim damaligen Hauptlehrer Haferkorn (abnehmende fachliche Kompetenz) war, zeigt dass in der Zeit von 1860 bis 1873 acht Hilfsschullehrer „verbraucht“ wurden, die Amtszeit vom Lehrer Haferkorn ging dagegen von 1842 bis 1872. Mit dem wirtschaftlichen und industriellen Aufschwung nach dem gewonnenen Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und der damit verbundenen Reichsgründung wurde mit dem Gesetz über das Volksschulwesen von 1873 die bisherige kirchliche Aufsicht der Volksschulen unter die von königlichen Bezirksschulinspektoren gestellt. Das war der erste Schritt zur Trennung von Schule und Kirche, was dann erst 1921 gesetzlich endgültig besiegelt wurde. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung wurde nun auch mehr in die breite schulische Ausbildung investiert, weil man für die fortschreitende Industrialisierung auch besser ausgebildete Menschen brauchte. In diese Zeit fallen viele Schulneubauten auch in unserer Region. So 1875 in Bieberstein und zusätzlich erstmals in Burkersdorf, 1876 in Reinsberg und Dittmannsdorf, 1877 in Neukirchen und 1891 in Hirschfeld. Dem Schulneubau in Burkersdorf und Bieberstein (1882/83 erfolgte eine Erweiterung um ein zweites Klassenzimmer und eine Lehrerwohnung) ging eine Abstimmung zur Abtrennung von Burkersdorf aus dem Biebersteiner Schulverband voran, um insbesondere aus Burkersdorfer Sicht eine bessere schulische Ausbildung zu erreichen. Gotthelffriedrichsgrund hatte sich für den Verbleib in Bieberstein entschieden. Die Schülerzahl halbierte sich dadurch etwa auf die Hälfte ( 90 in Burkersdorf, 110 in Bieberstein) pro Schule mit je einem Lehrer. Die Anstellung der Lehrerschaft war in Burkersdorf anfangs sehr instabil. In der Zeit von 1875 bis 1920 waren in Burkersdorf 15 und in Bieberstein drei Hauptlehrer (F.G. Schmidt, G.Kubel, P.Benedix) tätig. Ab 1920 gehörte Burkersdorf behördlich dann wieder zum Schulbezirk Bieberstein. Schulleiter war bis 1937 Paul Benedix. Nach der nationalsozialistischen Erziehungsperiode und dem Zusammenbruch des 3.Reiches wurde im Herbst 1945 mit den Lehrern Benedix und Buchwald der Unterricht mit durch Umsiedler über 200 Schülern wieder aufgenommen. Mit dem neuen Schulgesetz vom Mai 1946 in der sowjetischen Besatzungszone war der Unterricht durch wechselnde Neulehrer mit oft nicht ausreichenden fachlichen und pädagogischen Kenntnissen geprägt. Ab 1952 stabilisierte sich das Lehrerkollegium, das an beiden Schulen zusammen ca. 150 Schüler unterrichtete. Die Schulleiter waren: 1949 bis 1952 Karl-Heinz Pethke und 1952 bis 1964 Oberlehrer Horst Röthling. Das gesamte Kollegium bestand anfangs aus vier bis fünf Lehrern. 1965 erfolgte ein Zusammenschluss mit Reinsberg zur „Zentralschule Reinsberg-Bieberstein“, wobei in Bieberstein die Klassen 1 bis 4 unterrichtet wurden. Mit dem Erweiterungsbau der Zentralschule in Reinsberg 1972 wurde der Schulbetrieb in Bieberstein ganz eingestellt. Seit 2008 wird das ehemalige Schulgebäude in Bieberstein als Kindertagesstätte „Bieberburg“ als Vorschuleinrichtung wieder sinnvoll genutzt. Die Kinder der Ortschaften Bieberstein, Burkersdorf und Gotthelffriedrichsgrund besuchen seit 1992 in den Klassen 1 bis 4 die Grundschule in Neukirchen und bis zur 10. Klasse die Mittelschulen Halsbrücke oder Nossen.
Aus Anlass der Schulneubauten 1875 wurden in 25-jährigen Abständen in der Gemeinde Bieberstein Schul- und Heimatfeste gefeiert mit Ausnahme von 1900 wo wegen Geldmangels noch keine Feier stattfand. Die Feiern 1925, 1950 und 1975 fanden mit großen Festumzügen statt. Eine ausführliche Beschreibung des Festumzuges von 1925 gibt es von R.A. Pfeiffer und ist auch im Internet einsehbar. R.A. Pfeiffer verwaltete in den 20-er Jahren das Schlossarchiv, das seit dem Verkauf des Rittergutes 1929 verschollen ist. 1975 fand das 100-jährige Jubiläum zusammen mit den 1.Arbeiter-und-Bauern-Festspielen des Gemeinde-verbundes Freiberg Nord statt, woraus auch die großzügige Aufmachung resultierte. Zu diesem Anlass wurde auch eine Ortschronik über die Gemeinde Bieberstein verfasst, die auch mit wichtige Grundlage dieses Artikels ist. Will man den alten Traditionen weiter folgen, so steht 2025 das nächste Schul-und Heimatfest ins Haus.
Achim Berger
Quellen (Auswahl):
Erhard Banitz, Herbert Buhl: Bieberstein Geschichte und Gegenwart, Rat der Gemeinde Bieberstein, 1975
Friedrich Hartmann: Krummenhennersdorf in 8 Jahrhunderten, Festausschuss der Gemeinde, 1956
Richard A. Pfeiffer: 50jähriges Schuljubiläum des Schulbezirks Bieberstein und Burkersdorf, Sonderdruck Freiberg, 1925
Hans Rudolph: Privataufzeichnungen zur Dorfgeschichte von Bieberstein, um 1938
N.N.: Historio graphia Biebersteinensis von 1683, In: Heimatbote Bieberstein/Reinsberg, 1927
Günter Naumann: Sächsische Geschichte in Daten, Fourier Verlag Wiesbaden, 2003
Titelbild: Schule Bieberstein 1955 (Foto H.Röthling)