Die Pfarre von Bieberstein

vom Ortschronisten Achim Berger

Wenn für Bieberstein eine Kirche und Pfarre in früher Zeit urkundlich auch nicht belegt ist, so kann doch davon ausgegangen werden, dass zeitnah nach dem Bau der Burg und der Dorfbesiedlung um 1150 auch eine Kirche mit Pfarrgebäude von den deutschen Siedlern errichtet wurde. Sehr wahrscheinlich hatten beide damals schon etwa den jetzigen Standort. Ihre heutige Gestalt sicher nicht. Von den ersten Bauten gibt es keinerlei Belege. Unsere Kirche in der jetzigen Ausführung stammt aus der Zeit um 1500. Das Pfarrgebäude wurde noch unter Gotthelf Friedrich von Schönberg 1703 z.T. mit Verwendung von Abrissmaterial vom aufgelösten Kloster Altzella neu erbaut. Mit Einführung der Reformation (in Sachsen 1539) haben sich Umfang und Aufgaben der Pfarrhäuser ziemlich geändert. Während in päpstlicher Zeit in kleinen Gemeinden nur die Unterbringung des Priesters und ggf. einer Haushaltshilfe notwendig war, erweiterte sich nach der Reformation die Pfarre zu einem familiengeführten Pfarrhof, da die Pfarrer jetzt heiraten durften. Besonders bekannt wurde diese wirtschaftliche  Wandlung durch Martin Luthers Frau Katherina von Bora, die nach neueren Nachforschungen im hiesigen Hirschfeld geboren wurde. Auch in Bieberstein fand diese Entwicklung statt. Das Wohngebäude, in dem nach einem Brandversicherungs-Kataster bereits ein Kuhstall mit integriert war, wurde 1713 durch eine Pfarrscheune und 1734 durch ein Schuppengebäude mit weiteren Stallungen ergänzt. 1758 kam noch ein Substitutenhaus1 im Garten gegenüber dem Pfarrgebäude hinzu, das aber nach 90 Jahren wieder abgerissen wurde. 1817 wurde hinter dem Pfarrgebäude zur Schmiede hin eine befestigte Straße gebaut. Vorher standen hier Buschwerk und auch mächtige Linden. 1743 wurde aus solch einem Baumstamm die jetzige Kanzel herausgearbeitet. Wie aus den Wirtschaftsgebäuden zu ersehen ist, übten die Pfarrer neben ihrer geistlichen Arbeit eigenhändig mit ihrer Familie noch eine landwirtschaftliche Tätigkeit aus. 1900 gehörten zum Pfarrlehen 30 Acker Feld und Wiese (etwa 16 Hektar) und vier Acker Wald2. In dieser Zeit wurden ca. 450 Obstbäume auf den Pfarrliegenschaften gezählt. Im Pfarrgebäude befanden sich neben den Wohnräumen auch die Amtsräume, das Archiv mit Bibliothek und ein Gemeinderaum. Letztere wurden in den Nachkriegsjahren bis 1949 etwas zweckentfremdet auch für Wohn-und Schulzwecke verwendet.

Pfarrhaus Bieberstein um 1900 (Repro aus Neue Sächs. Kirchengalerie, S.861)

Zur Kirchgemeinde von Bieberstein gehören neben Bieberstein auch die Orte Burkersdorf, Gotthelffriedrichsgrund und Hohentanne. Seit Einführung der Reformation 1539 sind alle 15, nun evangelischen Pfarrer namentlich und mit Dienstzeit bekannt. Erster Pfarrer in Bieberstein war  Ambrosius Fischer, der 1555 wegen Unvermöglichkeit entlassen wurde. Letzter Pfarrer war von 1896 bis 1925 K. Otto Johannes Dinter, dem wir auch viele Aufzeichnungen zur Kirchen- und Ortsgeschichte verdanken. Ab 1926 wurde Bieberstein vom Reinsberger Pfarrer mit betreut.

Die Pfarrer wurden vom Kirchenpatron, das war i.allg. der jeweilige Rittergutsbesitzer, ausgewählt. In der Zeit der Teilung von Bieberstein in Ober- und Niederbieberstein (etwa 1400 bis 1630) gehörte die Kirche immer zu Niederbieberstein. Von einigen Pfarrern, die in Bieberstein verstorben sind, sind noch die verwitterten Sandstein-Grabmale an der südlichen Außenwand der Kirche erhalten. So vom 8.Pfarrer Johann Georg Schulze (1670-1703)3 und vom 11.Pfarrer Johann Lahode (1769-1798). Erwähnenswert ist auch noch der 12.Pfarrer Karl Gottlieb Richter (1798-1825).  Der einzige gebürtige Biebersteiner Pfarrer wurde 1764 als Sohn eines hiesigen Huf- und Waffenschmieds geboren. Er starb 1847 in Freiberg.

Das jetzige Pfarrhaus wurde entsprechend Kirchenrechnungen 1755, 1773 und 1865-75 ausgebaut bzw. renoviert. 1894 wurde eine massive Badeeinrichtung (!) eingebaut und es erhielt 1899 ein neues Ziegeldach.  Mit der letzten Neueindeckung in den Neunzigern des letzten Jahrhunderts wurde ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung dieses ehrwürdigen Gebäudes im alten Dorfzentrum von Bieberstein geleistet.

Türbogen mit Schlußstein

Anmerkungen

1 Ein Substitut ist ein Pfarrgehilfe (Beigeordneter, Stellvertreter), der oft auch Nachfolger des jeweiligen Pfarrers wurde, so z.B. K.G. Richter, der nach 5 Jahren Substitutionszeit 1798 Nachfolger von  J. Lahode wurde.

2 1794 gab es am 5. Mai einen starken Windbruch. Aus dem Verkauf des Holzes wurde eine Pfarrholzkasse eingerichtet, deren Zinsen für die Besoldung des Pfarrers mit verwendet wurden.

3 Amtszeiten; letztes Jahr meist auch das Todesjahr, wenn in Bieberstein verstorben.

Quellennachweis (Auswahl)

Gautsch:  Die alten Burgen und Rittersitze um Freiberg. In: MFA H.14(1877), S.1271-1320
Cornelius Gurlitt: Beschreibende Darstellung der älteren Bau-und Kunstdenkmäler in Sachsen, Dresden 1923
Heimatbote – Monatsblatt der Kirchgemeinden Bieberstein, Dittmansdorf, Hirschfeld, Reinsberg, Jahrgänge 1927-29: Fortsetzungsserie „Biebersteiner Geschichte“ unter Verwendung des Archivbuches „Historio graphia Biebersteinensis“ von 1683
Neue Sächsische Kirchengalerie: Die Parochie Bieberstein, Leipzig 1902

Postkarte von 1911 mit Pfarrhof und Kirche

Achim Berger