vom Ortschronisten Achim Berger
Während Luther und Goethe zu Bieberstein nur eine historische Randberührung aufweisen, hatte der Maler Ferdinand von Rayski (1806-1890) relativ intensive Beziehungen zu Bieberstein. Es gibt sicher nicht viele Biebersteiner, die mit diesem Namen etwas anfangen können. Auch zu seinen Lebzeiten war Rayski selbst unter Künstlerkreisen wenig bekannt. Das lag daran, dass er ein reisender Porträtmaler war, der sich besonders in sächsischen Adelshäusern durch Auftragsmalerei seinen Lebensunterhalt verdiente und als ewiger Junggeselle dort ein gern gesehener Unterhaltungsgast war. Auch in Bieberstein war er mehrmals, zum Teil auch länger auf dem Rittergut der Familie von Schroeter, mit der er auch weitläufig verwandt war. Bieberstein verhalf ihm etwa 15 Jahre nach seinem Tode durch einen Zufall zur späten Anerkennung.
Selbstbildnis, um 1850 – Klassik Stiftung Weimar
Ferdinand von Rayski entstammt einer weniger begüterten alten Adelsfamilie und wurde 1806 in Pegau geboren. Sein Vater nahm als Rittmeister 1812 am Russlandfeldzug Napoleons teil und verstarb dort in der Gefangenschaft. Seine Frau war ziemlich mittellos, so dass ihre sechs Kinder darunter Ferdinand weitestgehend bei Verwandten und Bekannten aufwuchsen. 1821 trat Ferdinand von Rayski in das Königliche Kadettenkorps in Dresden-Neustadt ein und ging 1825 als Secondeleutnant beim Herzog von Anhalt-Bernburg in Stellung, die er aber schon 1829 wieder aufgab. Obwohl er einer alten Offiziersfamilie entstammte, wandte er sich ab 1830 der Malerei zu und besuchte u.a. auch die Dresdner Kunstakademie und beteiligte sich an Ausstellungen. Er fand aber unter den damaligen Künstlerkreisen nicht die erhoffte Anerkennung. Nach Reisen in Frankreich und in westdeutschen Gegenden nahm er 1840 bis zu seinem Tode einen festen Wohnsitz in Dresden. Er hielt sich aber auch, wie schon bemerkt, als reisender Porträtmaler oft in mittelsächsischen Adelshäusern auf besonders bei den Familien von Schönberg, so auch in Nieder- und Oberreinsberg. Die Jahre der bürgerlichen Revolution von 1848/50 verbrachte er auf Schloss Bieberstein bei der Familie des Domherren Haubold von Schroeter. 1890 verstarb er vereinsamt und vergessen. Er wurde im Familiengrab auf dem DresdnerTrinitatisfriedhof beigesetzt, das heute noch existiert. Ihm zu Ehren wurde in Dresden die Rayskistraße benannt.
Bei seinen Aufenthalten in Bieberstein entstanden in der Zeit von 1843 bis 1863 insgesamt neun Gemälde verschiedener Kategorien. Hervorzuheben sind die fünf s.g. Eremitoriumbilder, die er bei seinem Langzeitaufenthalt von 1848-50 zur Ausschmückung des gerade renovierten Alten Schlosses anfertigte. Diese großformatigen Gemälde waren in den Wänden des mittleren Kaminzimmers eingelassen. Später wurden sie in das Hauptschloss verbracht.
Wie bereits angedeutet, spielte Bieberstein für die späte Anerkennung von Ferdinand von Rayski als großen sächsischen und deutschen Maler des 19. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Rolle. Im Herbst 1905 fand in unserer Gegend ein Manöver statt, bei dem der Reserveleutnant und junge Kunsthistoriker Georg Vitzthum von Eckstädt im Schloss Bieberstein einquartiert war. Er entdeckte die Rayskibilder und konnte den Schlossherrn davon überzeugen, die Gemälde für die Berliner Jahrhundertausstellung 1906 zur Verfügung zu stellen. Insgesamt wurden dort 20 Bilder von Rayski ausgestellt. Zu den am meisten beachteten Gemälden zählten die sechs von Bieberstein. Mit der Ausstellung wurde Ferdinand von Rayski wie auch Caspar David Friedrich wieder entdeckt und besitzt seit dieser Zeit zumindest in Fachkreisen hohe Anerkennung, was man auch spürt, wenn man eines der wenigen angebotenen Rayskibilder erwerben möchte.
Noch einige Anmerkungen zum Verbleib der Biebersteiner Rayskibilder. Alle Bilder wurden von Viktor von Schroeter bzw. seinen Erben zwischen 1913 und 1936 verkauft. Drei Gemälde, darunter die berühmten „Wildschweine“, verbrannten in der Bombennacht vom 13. zum 14. Februar 1945 in einem abgestellten Zug mit dem sie vor der herannahenden Roten Armee ins westliche Deutschland transportiert werden sollten. Zwei Gemälde, darunter „Schloss Bieberstein bei Morgenbeleuchtung“ (Bild 3) sind seit den letzten Kriegswirren verschollen (vielleicht tauchen sie doch noch einmal wieder auf!). Zwei Eremitoriumbilder wurden an die Familie von Schönberg rückübereignet, ein Bild ( „Bildnis Kurt von Schroeter“) befindet sich in der Gemäldegalerie Neue Meister in Dresden und ein Bild („Kesseltreiben“) ist seit 1943 im Landesmuseum Linz in Österreich. Dort wollte Hitler mit angekauften und beschlagnahmten Gemälden (Raubkunst) ein großangelegtes Führermuseum errichten.
In heimatlicher Nähe kann man sich fünf Rayskigemälde im Schloss Nossen anschauen; darunter die Historienbilder „Grenadiere im Schnee“ und die „Schlacht bei Borodino“. Bis vor einiger Zeit konnte man dort auch das rückübereignete monumentale Bild „Erich von Schönberg als Löwenjäger“ bewundern, das Rayski für das Eremitorium in Bieberstein gemalt hat.
Familie von Schroeter auf der Schlosstreppe von Bieberstein, 1848/50 – ehemals Gemäldegalerie Dresden, Kriegsverlust 1945 (verbrannt)
Beitragsbild oben: Schloss Bieberstein bei Morgenbeleuchtung, 1848/50 – ehemals Nationalgalerie Berlin, 1945 im Flakturm Zoo Berlin verschollen